Einmal ins Ungewisse 2010 – 07.10.2010 (Teil 53) – nach Deutschland zurück, eine Noster – Vertikale

BY IN Montsantwein verkostet, Prioratwein verkostet, Reisetagebuch eines genügsamen Genießers 1 COMMENT , , , ,

Ich schlafe wie ein Stein, und denke noch am Morgen, es muss alles ein böser Traum gewesen sein. Aber das war es nicht… Die Kletterhütte in Freyr werde ich wohl künftig meiden, wenn ich allein bin. Schade, sie war mir liebgewonnen. Aber der Schock des Vorabends sitzt tief.

Ich behalte das Angebot der Wirtin vom Chamonix stattdessen im Hinterstübchen, doch lieber dort zu zelten, sollte mir mal wieder nach Kletterspaß in Freyr sein.

Eigentlich hatte ich vor, den einzigen richtigen Klettersteig Belgiens östlich von Namur zu machen, aber mit dem Notbehelf der Plastikfolie über der demolierten Tür bleibt mir nur übrig, zu fahren und das Auto möglichst nirgends unbeaufsichtigt stehen zu lassen.

Um den Tag rum zu kriegen, fahre ich auf kleinen Straßen durch Belgien und entdecke wunderschöne Ecken, so die Gegend um Rochefort und das Ourthe – Tal zwischen Hotton und Houffalize, Gegenden, die gradezu einladen, hier mal das Auto stehen zu lassen…

Zum Tanken fahre ich dann in den nördlichsten Zipfel Luxembourgs, wo es zwar auch schon deutlich teurer geworden ist, aber der Abstand von 30 bis 40 Cent pro Liter im Vergleich zu Deutschland bleibt unverändert. Dann entdecke ich den deutschsprachigen Teil Belgiens bei Burg Reuland, wechsle aber vor Sankt Vith wieder auf die Autobahn, weil mir der schleichende Feierabend- und Tanktourismusverkehr zu nervig wird.

Bei Aachen komme ich dann nach Deutschland rein und hadere kurz mit der Idee, bei meinem alten Weinfreund Bernd Schulz vorbei zu fahren. Aber da ich die Telefonnummer nicht bei habe und Yvonne mir auch schon vorzeitiges Asyl bei Chris besorgt hat, ziehe ich durch bis Meerbusch. Und auf den deutschen Autobahnen lerne ich natürlich auch gleich wieder das Leben mit den Staus. Dadurch komme ich dann bei Chris doch gar nicht mehr so zeitig an.

Das Hallo ist natürlich entsprechend groß und wir widmen uns natürlich dem Prioratwein. Da die für Freitag seitens Chris geplante Verkostung mangels Interesse und Abwesenheit seiner Weinfreunde leider ausfallen muss und ich auch Angst habe, mein demoliertes Auto lange irgendwo in einer Stadt rumstehen zu lassen, telefoniere ich mit Norbert, welche Möglichkeit er sieht, mein Auto in Oberhausen an einem sicheren Platz stehen zu haben. Er ist bereit, seine Garage für mich frei zu machen und ich darf bereits am Freitag nach Oberhausen rüber kommen…

Also muss ich nur eine Nacht in Meerbusch zittern, aber Chris meint ja auch, dort gäbe es gar keine Spitzbuben und es kämen auch nie welche vorbei. Dennoch finde ich die Idee besser, am Freitag schon nach Oberhausen rüber zu fahren.

Aber es ist erst Donnerstag und zwei Prioratfreaks haben immer Durst, wenn sie aufeinander treffen. Ich habe Noster 2004 und 2006 für diesen Zweck im Gepäck und Chris stellt den 2005er dazu, denn ich bislang nur bei Charles desöfteren getrunken hatte – und fertig ist die kleine Vertikale dieses Basisweins von La Perla del Priorat, den es 2004 erstmals gab. Den 2004er hatte ich lange Zeit in meiner Selektion (inzwischen ist er aber auch schon über ein Jahr ausverkauft und auch im Weingut bekommt man ihn nicht mehr), inzwischen verkaufe ich hier den 2006er.

Chris stellt noch zwei weitere Weine dazu und der Abend ist gerettet, auch wenn es mir bei allem Spuk im Kopf noch immer schwer fällt, mich wirklich auf die Weine einzulassen. Insofern sind die Verkostungsnotizen eher knapp gehalten…

Celler Castellet; Ferral; Priorat – Porrera; 2006 rot

Wirkt gegen die drei Noster eine Spur rustikaler, dunkler und Carignan betonter und so als will er noch Zeit haben oder als sei er heute nicht ganz so gut drauf, wie ich ihn eigentlich kenne. Es ist zwar Meckern auf hohem Niveau, ein Fehler ist auch nicht feststellbar, aber dennoch fällt er für mich etwas gegen früher getrunkene Flaschen ab. Exzellenter Wein. 93+/100 Th.

Noguerals; Corbatera; Montsant – Cornudella; 2005 rot;

Noble Nase, parfümiert und interessant. Von der Mineralik her doch schon eher an Kalkstein bzw. Konglomerat orientiert als am Schiefer, er fällt als Nichtpriorat auf, ist aber dennoch ein exzellenter Wein, der sicher noch lange nicht am Ende ist, wie seine Tanninstruktur beweist. Eher auf der Seite der finessebetonten Weine. 93+/100 Th.

Vor den Noster Weinen legen wir eine Gedenkminute für Charles ein und konzentrieren uns auf unseren lieben, leider viel zu früh verstorbenen Freund. Vielleicht hatte auch das einen Einfluss auf diese Weine an jenem Abend, es war für mich wie ein Wunder, als spräche Charles durch seine Weine zu uns.
Plötzlich kam Emotion und (spirituelle?) Größe aus diesen eigentlich per Hierarchie gar nicht so großen Weinen…

Daher weiß ich nicht, ob diese hohe Wertung für die Weine an diesem Abend durch diesen Zauber ausgelöst wurden oder ob es ganz realistische Qualität ist, die sich hier offenbarte.

La Perla del Priorat; Noster; Priorat – El Molar; 2004 rot

Hat sich ganz großartig entwickelt und macht einen diesmal sehr ernsten Eindruck, zeigt sich aber auch herrlich ausbalanciert mit süßlicher reifer Frucht. Wunderbare tänzerische Balance zwischen Finesse und Kraft. Schöner intensiver Nachhall. Zeigt für mich bereits Größe und fordert somit 95/100 Th. heraus.

La Perla del Priorat; Noster; Priorat – El Molar; 2005 rot

Anfänglich noch verschlossen, am Gaumen aber recht nobel, sehr voll und kräftig – ein Kraftpaket, dennoch nicht ohne Finesse. Mon Cheri mit Bitterschokolade am Gaumen und eine leichte Bittermandelnote im Abgang. Zunächst exzellente 94+/100 Th, dann legt er noch einen Punkt auf 95+/100 Th zu und zeigt, dass auch er groß werden will. Noch nicht ganz ausgeschlafener Langstreckenläufer.

La Perla del Priorat; Noster; Priorat – El Molar; 2006 rot

Die gelungene Symbiose aus 2004 und 2005 und eine logische Weiterentwicklung des Projektes. Ein großartiger Wein, der immer wieder auf´s Neue überrascht. Es gelingt ihm, den anderen beiden stets ein Quentchen voraus zu sein. Verdienter Sieger des Abends bei hervorragendem PGV. Große 95+ bis 96/100 Th.

Auch Norbert und Wera waren am Folgetag durchaus begeistert von den Resten der Noster aus 2004 und noch mehr aus 2006. Aber das greift vor…

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