Einmal ins Ungewisse und zurück 2009, 04.09. (Kapitel 20)

BY IN Essen und Trinken hält Leib und Seele beisammen, kein Priorat - Montsant, Prioratwein verkostet, Reisetagebuch eines genügsamen Genießers NO COMMENTS YET , , ,

Landschaftlich richtig schön geht es nun heute den ganzen Tag weiter. Zunächst profitieren wir noch vom Tal des Riu Turia mit teils bizarren Felsen und zum anderen schönen Auenwäldern. Hinter Teruel geht es dann richtig bergauf. Der Cabigordo-Paß ist bereits 1602 m hoch, in Teruel waren es nur etwa 900 m über Meereshöhe.

Die A226 ist sehr gut ausgebaut. In Cedrillos tanken wir (1,062 €/l). In Villarroya de los Pinares trinken wir noch einen Kaffee und schauen uns eines der vielen schönen alten und pittoresken Dörfer dieser Gegend an. Diese erheben diese Landschaft hier sogar zum „Parque Cultural“. Leider sind Dorfkirche und Glockenturm geschlossen, wie so oft in Spanien.

Diese Gegend soll sogar Wintersportmöglichkeiten bieten, für Skilanglauf wird geworben, an allen Bergstraßen finden wir „Schneestöcke“. Bei den momentanen Temperaturen fällt uns die Vorstellung jedoch schwer, obwohl es grade heute mal nicht ganz so heiß ist.

Ach Cantavieja, Mirambel, Forcall und Morella lohnen sicher einen Zwischenstopp, soweit sich das bereits von dem beurteilen lässt, was man aus dem Auto heraus sieht.
Uns aber zieht so langsam das Priorat an…

Bei Monroyo biegen wir auf eine weitere, landschaftlich sehr schöne Nebenstraße ab. Sie bringt uns hinter Valderrobres kurz vor der Grenze zu Katalonien zu einem altbekannten Stopp. Bereits 2006 habe ich mit Klaus – Peter einen Abstecher von der Fira in Falset hierher gemacht.

Wir stehen vor der Bodega Venta d´ Aubert, dessen Weine eine für das Bajo Aragon wohl einzigartige Qualität haben. Wir müssen zwar erfahren, dass das nette Schweizer Pärchen, welches hier als Weinbauer arbeitet, zum Jahresende zurück in die Schweiz in die Nähe von Luzern geht, aber ein kompetenter Nachfolger wird derzeit bereits eingearbeitet.

Stefan Dorst, der deutsche Önologe aus der Pfalz bleibt Venta d´ Aubert erhalten. Wir lernen auch ihn diesmal persönlich kennen und bekommen einige Fassproben. Die Weinlese 2009 ist bereits seit etwa 10 Tagen in vollem Gange – dieses Jahr ist alles etwas zeitiger als sonst. Die Traubenreife ist beinahe optimal und man will auf jeden Fall nicht solange warten, bis Überreife eintritt, um den Weinen die nötige Frische und Finesse zu geben. Die letzten 14 Tage im August waren hier enorm heiß und so musste reagiert werden.

Wir kommen somit in den Genuss, bereits Most aus 2009 zu kosten, der bereits am Gären ist. Viognier und Syrah 2009 werden gekostet. Dann nehmen wir Proben von 2008er und 2007er Weinen, die in Ruhe reifen, bevor wir zu einigen bereits im Verkauf befindlichen Weinen kommen. Wir kosten den Ventus; 2006 rot (sehr gute 90/100 Th.), den Venta d´ Aubert Tinto; 2005 rot (sehr gute 92/100 Th.) und die „Monovarietals“ Merlot; 2005 rot
(sehr gute 92+/100 Th.) und Syrah; 2005 rot (exzellente 94+/100 Th.).

Stefan Dorst nimmt sich viel Zeit für uns und würde mir auch gern einige Weine für die Prioratführerselektion anbieten, die ich dann zu in etwa gleichen Preisen wie direkt auf dem Weingut anbieten könnte, aber der deutsche Markt ist vielleicht bereits zu gesättigt, zumal es wohl einige Weine billiger in Deutschland gibt, als man direkt ab Gut bezahlen würde. Somit bin ich mir doch etwas unschlüssig aus heutiger Sicht betrachtet.

Als wir uns voneinander verabschieden, bekommen wir noch einen 2006er Ventus und die halbvollen Flaschen Merlot und Syrah 2005 zur genaueren Nachverkostung mit.

Katalonien empfägt uns hinter Arnés mit einem riesigen Waldbrandgebiet – einer der schönsten Abschnitte dieser Strecke wurde hier über mehrere Kilometer völlig verwüstet, das Feuer breitete sich zu beiden Seiten des Tales aus, einige Fincas hatten Glück, andere nicht. Auch die Straße ist nun eine kilometerlange Baustelle.

Wir sind froh, als wir dann das Ebro-Tal erreichen und wenig später von Mora aus in Richtung Falset abbiegen. Über El Masroig kommen wir dann nach El Molar, wir hören dabei „Món Porrera“ von Lluis Llach…

Der kleine Laden in El Molar ist noch geschlossen, also gehen wir auf ein Bier in die einzige Bar des Dorfes. Sie wird von einem netten Rentnerpaar bewirtschaftet. Der Wirt freut sich, dass er mal einen fremden Gast und ein wenig Unterhaltung hat. Ich erfahre, dass auch Charles und etliche andere Winzer des Priorats bereits mitten in der Lese 2009 sind. Mich aber empfängt das Priorat erst einmal mit zwei Bieren. Nach dem typisch spanischen Estrella bestelle ich als Kuriosität ein echtes Radeberger!!!

Nach wenig später erfolgreichem Lebensmitteleinkauf (inklusive Wurstwaren von Cal Centro!) biegen wir auf die kleine Straße Richtung Siurana-Tal ab, wir wollen wenigstens kurz bei Charles guten Tag sagen und wenige Minuten später begrüßt uns Vif auf La Perla del Priorat als erster. Schwanzwedelnd zeigt er sich hocherfreut und erkennt uns natürlich sofort wieder.

Auch Charles ist erfreut und wir sollen wenigstens diesen Tag auf La Perla bleiben. Wir willigen gern ein und freuen uns auf die Neuigkeiten aus dem Priorat.

Später koche ich ein improvisiertes Abendessen aus dem, was unsere Vorräte und die bei Charles so hergeben. Es gibt einen Eintopf aus verschiedenen Bohnensorten und Chorizo, dann Bratkartoffeln mit Eiern und der Wurst von Cal Centro, sowie einen bunten, gemischten Salat.

Dazu trinken wir den Inicio 2005, einen neuen Basiswein von La Perla del Priorat, der preislich noch unter dem Noster liegen soll. Ein einfach zu trinkender Wein mit guter Frucht und Mineralität, frisch und mit guter, aber nicht aggressiver Säure. Schöner Wein zum Essen. Der hohe Alkoholgehalt von 15,8° ist gut kaschiert, man vermutet eher 13,5°. 89+/100 Th.

Danach verkosten wir noch mal die Weine von Venta d´ Aubert – allerdings ohne Charles, der zu Bett muss und am nächsten Morgen mit mir nachverkosten will. So sitze ich nur noch mit einem jungen Gastarbeiter aus Frankreich, der zur Lese als Helfer gekommen ist. Später kommt noch ein ziemlich angetrunkener polnischer Gastarbeiter hinzu, der auch gern einen Wein kosten möchte.

Er stürzt das angebotene Glas in einem Atemzug hinunter und meint zu dem Merlot von der Venta d´Aubert, der bei über 25 € die Flasche liegt nur: „Trinkbar. Ist Alkohol drin. Alles wo Alkohol drin ist, ist gut, egal ob es 3 oder 300 € die Flasche kostet – Alkohol ist wichtig. Im Übrigen ist Wodka besser, da ist mehr Alkohol drin…“

Den Syrah biete ich ihm nicht mehr an. Der Franzose und ich, wir sind plötzlich so unwahrscheinlich müde…

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