Gleich nach dem Frühstück an den Klettersteig gehen zu können, ohne das Auto zu bewegen, diesen Luxus gibt es in Aussois. Nachdem ich im letzten Jahr mit Steffen vier Abschnitte des faszinierenden Klettersteigsammelsuriums Via Ferrata Le Diable gemacht habe, will ich unbedingt noch die Via Ferrata Les Rois Mages „abhaken“.
Dieser Steig gilt immerhin als der physisch wie auch psychisch schwerste Steig hier und er geizt nicht mit Superlativen. So erwartet uns die wohl längste Brücke in allen französischen Klettersteigen, manche sprechen auch von einem der schwersten Steige Frankreichs, während andere von einem Kinderspiel faseln – das allerdings scheint eher die Minderheitenmeinung, schaut man sich die Kommentare auf der französischen Klettersteigseite zu diesem Steig an.
Der gesamte Steig ist nur etwa 300 m lang, was man an Höhe gewinnt, verliert man auch wieder. Unterm Strich Null Höhenmetergewinn, 300 m queren und beinahe die Hälfte davon auf Brücken, das kann doch so viel nicht sein. Oder doch? Immerhin gibt es bei dieser kurzen Distanz auch noch einen Angsthasenausstieg und manch einer ist wohl schon umgekehrt, als er grade mal die ersten Schritte gemacht hatte.
Ich erkläre diesen Steig für heute zur Pflicht, was wir danach machen, das kann Jörg sich wünschen. Gut, die beiden Anfänger- bzw. Kinderklettersteige rings um das Fort Victor Emmanuel müssen es nicht gerade sein und die lange Querung – der Weg der Jungfrauen verbietet sich vielleicht wegen der abseitigen Lage, aber ich würde auch gern den einen oder anderen der Steige wiederholen, die ich im letzten Jahr schon gemacht habe. Jörg soll wählen, ob er den „Abstieg in die Hölle und den Aufstieg aus dem Fegefeuer“ möchte, oder besser den „Aufstieg in den Himmel“… Ich erkläre mich zu allen Schikanen bereit.
Zunächst wandern wir gemütlich zum Fort Victor Emmanuel, durch welches wir müssen, um an unseren Steig zu kommen.
Während wir die Brücke zum Fort überqueren, beobachtet Jörg schon die ersten Lütten im Steig Via Ferrata Les Angelots. Rechts in der Felswand unterhalb der Mauer erkennen wir ein Stück des Steiges und den Beginn einer Brücke.
Wir selbst müssen hinein in das Fort und bis in deren tiefsten Teil hinunterlaufen, um dann dort aus einer der Schießscharten raus zu krabbeln.
Jörg hat dies Mal seinen Apparat auch dabei und fotografiert mich schon mal bei der Flucht aus der Festung…
… ehe ich ihn dann meinerseits fotografiere, wie er durch das Loch gekrabbelt kommt.
Da hat er noch richtig gut lachen – mal schauen, wie lange noch…
Wir schauen hinüber zur Festung Redoute Marie Thérèse. In der Wand unterhalb dieser uns gegenüberliegenden Festung beginnt der Klettersteig Via Ferrata La Traversée des Anges, den ich im letzten Jahr ebenfalls mit Steffen gegangen bin. Nach einem ganz kurzen Klettersteigstück an der Festung entlang führt unser Weg einige Minuten durch den Wald und dann stehen wir am Beginn unseres Steiges.
Ein detaillierter Plan erklärt uns noch einmal, worauf wir uns hier einlassen. Der Steig trägt den Namen „Die heiligen drei Könige“ und die drei Brücken tragen die Namen der drei Könige. Die Brücke Gaspard ist zugleich der Beginn des Steiges und die lange Brücke namens Melchior ist das Ende. Wir richten uns also auf eine ziemlich wacklige Angelegenheit ein. Nur, das nicht die Brücken das eigentlich Schwere sind, das wissen wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht…
Ich mache mich dann mal los – Jörg fotografiert noch mal von einem sicheren Standplatz aus. Wem bereits dieses Foto ein zu mulmiges Gefühl in der Magengegend verursacht, der überspringe besser die nächsten Abschnitte des Reisetagebuches. Das ist dann definitiv nichts mehr für zartbesaitete Gemüter oder Leute mit schwachem Herzen.
Wie hat es einer der Kommentatoren auf der französischen Klettersteigseite bei einem der Fotos passend ausgedrückt:“…interdit aux nains de jardins“.