In die französischen Alpen und zurück 2012 – Teil 46 – 20.08.2012 (6) – Via Ferrata Cascade de la Pisse – Teil 6

BY IN Reisetagebuch eines genügsamen Genießers NO COMMENTS YET , , ,

Wir haben einen der schönsten Klettersteige geschafft, die ich bislang gestiegen bin, die Via Ferrata Cascade de la Pisse. Die schwierigsten Abschnitte waren zum Glück noch im Schatten, dennoch fordert die erneute Hitze ihren Tribut. Die Wasservorräte sind weitgehend aufgebraucht. Aber dafür haben wir das zufriedene Grinsen im Gesicht und als wir beim Wandern in lieblicher Landchaft hier oben erneut den Bach queren müssen, machen wir das, was die Gruppe vor uns auch tat – wir ziehen uns aus und nehmen ein wunderbar erfrischendes Bad im kalten Gebirgswasser…

… wir wähnen uns bei diesem Anblick bereits im Paradies:

Unsere regelrecht einladende „Badewanne“ hier tut gut, so gut, dass wir wenig später unvorsichtig werden.

Wir erreichen auf leichtem Weg die Refuge des Clots, eine bewirtschaftete Hütte mit einem für die Berghütten Frankreichs typischen Speisen und Getränkeangebot – simpel aber teuer… Wir sind gut abgekühlt und fühlen uns frisch – so sind wir nicht bereit, richtig teures Geld für ein nicht sonderlich wohlschmeckendes Dosenbier auszugeben. Und auch für nichts anderes. Wir beschließen, uns sogleich an den Abstieg zu machen.

Der Abstieg ist zunächst regelrecht „lieblich“, vorbei an einem kleinen Hochmoor und bis hin zu einem Aussichtspunkt, von dem aus man hinunter ins Tal schauen kann. Und wir sehen auch, was uns jetzt blüht… – Klettergurte anlegen – es geht richtig steil abwärts und die ersten paar 100 m davon in einem richtigen Klettersteig. Nichts mit gemütlich absteigen…

Und hinzu kommt, das wir jetzt ständig der prallen Sonne ausgesetzt sind – in dieser Wand, die wir runter müsen, gibt es fast nirgends Schatten.

Beim Blick nach unten sehen wir, was uns noch bevorsteht. Zwar haben wir direkten Blickkontakt zu unserem Auto, welches noch im Schatten steht, aber beruhigen kann uns der Blick nach unten hier keinesfalls.

Es geht zwar nicht vertikal nach unten, aber immer hübsch gleichmäßig steil auf rutschigen Wegen über staubige Grasnarben und leichte Felsstufen. Die Sonne brennt unerbittlich und der Abstieg bei mehr als 30° C beginnt zu nerven.

An manchen Stellen, wie hier auf dem Foto ganz rechts, stehen „Parkverbotsschilder“ mitten im Klettersteig – das sind die Abschnitte, wo man wegen Steinschlaggefahr besser nicht stehen bleibt, sondern diese Stellen zügig überwindet. Zu allem Verdruß geht es zwischendrin noch mal hoch statt runter…

Parken verboten, aber wer will hier in dieser Hitze schon parken?

Wir jedenfalls wollen nur noch runter. Der Abstiegsklettersteig ist zwar nirgendwo wirklich schwierig, aber der Abstieg zieht sich in die Länge. Und es bleibt richtig steil, auch als der Steig zu Ende ist. Der Weg ist dann mit roten Punkten gekennzeichnet, von dem wir allerdings einen verpassen – und so finden wir uns in einer steilen Geröllrinne wieder, die wir regelrecht hinab rutschen. Und die Sonne knallt weiter. Wer sollte ihr das hier jetzt auch verbieten?

Ich quere irgendwann wieder links zum Felsen, weil ich mich an die Skizze erinnere, die den Weg nahe am Felsen verortet – so finde ich auch die Markierung wieder. Jörg nimmt allerdings in seiner Verzweiflung weiter die Direkte…

Durch die Hitze und den langen, kraftraubenden Abstieg bin ich irgendwann fix und alle. Wirklich mit letzter Kraft rette ich mich vor dem Sonnenexodus. Viel länger hätte ich das ohne Flüssigkeitszufuhr nicht mehr ausgehalten.

Am Ende kommen wir beide, jeder auf seinem Weg, zugleich unten an und brauchen am Auto und im Schatten dann erst mal eine längere Verschnaufpause. Ich begieße mich mit Wasser und trinke wie blöde… Es dauert schon eine Zeit, bis die Atmung und der Puls wieder auf Normal kommen. Zum Glück stand das Auto die ganze Zeit im Schatten, da wir gegenüber dem offiziellen Parkplatz geparkt haben.

Der Steig ist mit D+ (difficile + = Schwierig +) nicht unter- und nicht überbewertet, sich auf AD (Assez difficile = mäßig schwierig) wie im Internet geschrieben, zu verlassen, könnte fatale Folgen haben, wenn man nicht auch D und D+ gwöhnt ist. Für diese Tour war es der bislang athletischste Steig – er reicht fast an die sportlichsten Steige des Vorjahres heran. Auch zieht sich das Unterfangen in die Länge, mehr als 350 Höhenmeter wollen hoch und vor allem auch wieder abgestiegen sein. Bei mehr als 30° C ist das Ganze nur den Hartgesottensten zu empfehlen. Auf jeden Fall sollte man sich Wasserreserven für den nervenraubenden Abstieg in praller Sonne lassen und nicht so leichtsinnig wie wir nach dem kühlen Bad oben denken, der Rückweg wäre ein Kinderspiel…

Durch die grandiose Kulisse und wegen seines Anspruches an Physis und Psyche zücke ich hier 20/20. Ein unbedingter Höhepunkt unserer Tour und ein Steig, der ein Pflichtziel für jeden Klettersteigfreak sein sollte. Wir schauen mit Gänsehaut und jeder Menge freigesetzter Endorphine noch mal auf die Gesamtansicht vom Parkplatz aus.

So, what do you think ?