Einmal ins Priorat und zurück – Das Roadbook Firafahrt 2017, Kapitel 7 – Mittwoch, 19.04.2017

BY IN Priorat - Tourismus, Reisetagebuch eines genügsamen Genießers NO COMMENTS YET ,

Was für eine barbarische Kälte, auch am nächsten Morgen möchte man alles anziehen, was man findet, inklusive Handschuhe und Mütze. Das Olivenöl kann mit dem Löffel gegessen werden, die Autofrontscheibe ist vereist.

Der Kaffee ist eine Wohltat, dann kommt die Sonne ein wenig in Schwung und es muss wenigstens nicht noch die Scheibe gekratzt werden.

Beim Losfahren drehen wir dennoch erst mal die Heizung auf, um wieder auf normale Betriebstemperatur zu kommen.

Die wunderschönen abwechslungsreichen Landschaften im Zentralmassiv entschädigen und wieder stelle ich fest, man macht viel zu selten Urlaub im Zentralmassiv.

Über den Col de la Faye und am 1190 m hohen Suc de Medeyrolles vorbei fahren wir auf kleinsten Straßen durch das sehr waldreiche Forez-Gebirge nach La Chaise Dieu. Hier gibt es eine der eindrucksvollsten Kirchen dieser Gegend zu besichtigen und um den Sessel Gottes herum ist ein hübsches Kleinstädtchen zu entdecken.

Die schmale D4 führt uns dann durch ein wunderschönes bewaldetes Tal nach Paulhaguet – ab hier wird die Landschaft karger und weitläufiger. Zum Teil gibt es tolle Fernsichten.

In dem malerisch auf einem Felsen gelegenen alten Dörfchen Chilhac queren wir das tief eingeschnittene Tal der Allier. Wir folgen der ebenso kleinen D41, auf der wir fast immer alleine unterwegs sind, später nehmen wir die Route Forestière zum Monument National aux Macquis am Mont Mouchet.

Leider ist hier oben noch Totenstille, weder Museum noch Restaurant sind geöffnet, aber es gibt einen windgeschützen Picknicktisch, wo wir unser Mittagspicknick machen können. Einen kleinen Rundgang zu den verschiedenen Denkmälern, die an die Partisanen im 2. Weltkrieg erinnern, machen wir, bevor wir wieder im Auto die Heizung kurz aufdrehen – weiter geht es durch tolle Waldlandschaften, wir sind mitten in den Monts de la Margeride, neben dem Aubrac eine der dünnstbesiedelten Landschaften im Zentralmassiv.

Nun ist es nicht mehr weit bis Malzieu Ville, wo unser heutiger Klettersteig wartet. Wie oftmals im Zentralmassiv kann man hier mehrere Varianten bzw. Kombinationen machen. Bereits vor einigen Jahren hatte ich hier zunächst die schwere Variante und später die leichtere Variante gewählt, es liegt auf der Hand, das wir das heute umgekehrt versuchen.

Wir sind motiviert, denn es ist ein klein wenig wärmer geworden und ich weiß, dass dieser Steig kein bisschen mit dem des Vortages zu vergleichen ist. Hier werden wegen des teils luftig ausgesetzten Charakters weder die Nerven geschont, noch kann man sich ausruhen. Für die Via Ferrata de Malzieu Ville sollte man gut vorbereitet sein, sowohl mental als auch physisch.

Hier der Link zu den Fotos der französischen Klettersteigseite zum Appetit holen:

http://www.viaferrata-fr.net/photos-via-ferrata-165-Via-ferrata-de-Malzieu-Ville-Malzieu-Ville-Loz%E8re.html

Bereits im relativ leichten ersten gemeinsamen Abschnitt des gelben Weges (die leichtere Variante) und des roten Weges (die schwerere Variante) werden wir massiv durch eine Teenagergruppe aufgehalten, die bereits jetzt am Limit ist. So werden wir in den schwereren ersten getrennten Abschnitt gedrängt, den ich bereits gemacht hatte. Neben einem ersten arg ausgesetzten Teilstück ist hier ein Abschnitt, in dem überhängend abgeklettert werden muss, besonders heikel und kraftfordernd. Für Leon geht es bereits hier ans Eingemachte. Der Abschnitt ist mit D+ (Difficile + = Schwierig +) gekennzeichnet und das ist eher untertrieben. Bereits hier kommen die zusätzlichen Standschlingen zum Einsatz, um so sicher wie möglich abzuklettern.

Es folgt eine lange steile, aber selten überhängende Wand, bevor beide Varianten wieder eins werden und ein leichterer Abschnitt mit diversen Wandquerungen und Brücken folgt. Dann gabelt sich der Weg erneut.

Der schwere Weg, der hier mit TD+ (Tres Difficile + = Sehr Schwierig +) gehandelt wird, beginnt gleich mit einem ausdauernden und mitunter recht starken Überhang, der Respekt abnötigt. Mehrfach muss hier im Überhang umgeklinkt werden. Leon scheut, er hat bereits am Einstieg Probleme, richtig rein zu kommen. Ich dagegen sehe hier durchaus noch Land, obwohl es schon kraftraubend ist. Ich gehe den Abschnitt wie in Trance hoch und genehmige mir einen befreienden Bergheilschrei, als ich den schweren Überhang überwunden habe, der mit TD+ gerecht bewertet ist.

Aber zu zeitig gebrüllt, es geht weiter sehr steil bergan und ganz am Ende wartet ein regelrechtes kleines Dach auf die Überwindung. Man hängt dort regelrecht wie ein Faultier und wenn man umgeklinkt hat, müßte man die Füße blind irgendwo versuchen gegenzustemmen. Mein Problem ist, das ich noch nie ein Dach geklettert bin, also hier technisch keine Ahnung von habe. Das Einklinken der Standschlinge klappt, aber dann offenbart sich die Crux. Die Sicherungen des Klettersteigsets haken unten in einem durchhängenden Stück des Stahlseils fest und lassen sich dort nicht rum ziehen. Rasant schnell werden die Unterarme schwer wie Blei und ich muss aus der Hängeposition zurück auf Anfang. Dabei aber noch die Standschlinge wieder lösen, um mich nicht vollends aufzuhängen… Als ich wieder festen Stand auf einem U-Eisen habe, merke ich, die Kraft reicht nicht für einen 2. Versuch.

Leon ist inzwischen den leichteren Weg nach oben geklettert, ich rufe ihn und versuche, ihm klarzumachen, dass ich wieder abklettern muss und bitte ihn, wenn möglich zu mir abzusteigen, damit er mir bei dem schweren Überhang u.U. eine Stütze sein kann.

Bis an den Überhang geht das Zurück klettern problemlos, aber dann mit kaum noch Kraft den Überhang runter, das geht an die Grenzen des mir Machbaren. Ich nutze 2 zuätzliche Standschlingen, am Ende hänge ich fast nur noch in der Luft, 5 Minuten Ausruhen, an den Fels ranziehen, eine Sicherung ausklinken und tiefer wieder einklinken, eine Stufe vorsichtig absteigen, wieder 5 Minuten ausruhen…  Aus Befreiungsschreien werden Verzweiflúngsschreie… Eine gefühlte Ewigkeit vergeht, ehe ich endlich wieder sicheren Stand unter den Füßen habe…

Den leichten Weg gehe ich dann in Trance nach oben aber mit wirklich letzter Kraft. Leon hat mit mir gelitten. Beide haben wir weder Lust noch Kraft für die Tyrolienne. Ich habe an dem Dach, welches ich mit ED (Extremement difficile = Extrem schwer) bewerten würde, nun einen Sack hängen, von dem ich nicht weiß, ob ich ihn je in meinem Leben noch abhängen möchte.    

Beim Abstieg nach überstandener Via Ferrata nach unten komme ich mir vor, wie Waterloo grad noch mal überlebt zu haben…

Wir kaufen im Ort noch beim Bäcker und beim Fleischer ein und ich zeige Leon noch kurz den mittelalterlichen Ort, bevor wir auf den mir bekannten Biwakplatz fahren.

Zeltaufbauen und einräumen, dann kochen und essen, sowie die Sonne weggeht, wird es wieder ungemein kalt. Handschuhe und Mütze müssen wieder her. Die Weine können wir bei den Temperaturen kaum würdigen. Später dann im Auto bei nochmal kräftigem Einheizen schmecken wir sogar was von den guten Tropfen, der Riesling von Steffen Gröhl stößt bei Leon auf weniger Gegenliebe wie der Toro von ihm bei mir. Aber auch ich bin alles andere als in Weinbewertungslaune. Mir ist kalt und ich merke jeden Muskel. So fix und fertig war ich wohl noch nie nach einem Klettersteig.

Das Olivenöl ist selbst tagsüber kaum aufgetaut und die Nacht verlangt, dass ich erneut die zusätzliche Decke mit in Zelt nehme. Wintercamping Klappe die Zweite…

Wo soll uns das noch hinführen???

So, what do you think ?