Einmal ins Ungewisse und zurück 2009, 27.08. (Kapitel 12)

BY IN Reisetagebuch eines genügsamen Genießers NO COMMENTS YET

Wir stehen in tiefer Nacht auf, es muss so gegen 04.30 Uhr sein. Wir frühstücken, bauen das Zelt ab und fahren zum spanischen Grenzdorf hoch – alles noch im Dunkeln. Ich hätte mich über eine richtige Toilette gefreut, aber wer keine hat, der versucht sich eine zu bauen …

Hier ist noch alles zu und wir wären das einzige Auto auf all den Parkplätzen gewesen. Auf dem direkten Zugang zur Pombie-Hütte anderthalb Kilometer weiter unten auf französischer Seite dagegen stehen schon etliche Fahrzeuge. Also stellen wir uns dazu.

Dann schnappen wir die am Vortag gepackten Kletterrucksäcke und marschieren los in Richtung Pombie-Hütte. Yvonnne hatte bereits zum Frühstück über diverse Wehwehchen geklagt und sie läßt auch sofort an der Steigung abreißen, obwohl ich schon das langsamste mir machbare Tempo anschlage. Es sind halt nicht alle Tage gleich, allerdings wäre es grade heute wichtig gewesen, richtig gut drauf zu sein. Ich muss immer wieder sehr lange warten, um sie aufschließen zu lassen. Inzwischen überholen uns alle möglichen Leute, die in normalem oder schnellen Tempo unterwegs sind.

Wir schauen Schäfern beim Melken der Schafe zu, ich entdecke weiter oben eine Gruppe Geier auf einer Wiese weit unter mir und irgendwann nach deutlich längerer Zeit als geplant erreichen wir die Pombie-Hütte.

Von der eigentlich vorgesehenen Traverse vom kleinen zum großen Pic de Midi ´d Ossau rät man uns ebenso ab wie vom Durchsteigen der Diagonalen in der Nordwand.
Für beide Wege wäre es jetzt bereits eine zu späte Startzeit. Ich bin irgendwie innerlich sauer, versuche aber, es mir möglichst wenig anmerken zu lassen. Aber immerhin ist das der Tag, der den Höhepunkt des Urlaubs markieren soll und dann läuft alles daneben.

Der Hüttenwart rät uns zum Normalweg oder einem der Wege daneben, die deutlich kürzer auch vom Anmarschweg her sind. Da ich den Normalweg schon kenne und ich eigentlich auch keine Lust auf die Staus an dieser „Alpinistenautobahn“ habe, möchte ich gern die „Contrefort Oriental“ nehmen, einen mittelschweren Kletterweg, der links vom Normalweg verläuft und der nicht viel schwerer als dieser ist, aber deutlich längere und auch einige anspruchsvollere Kletterpassagen hat als dieser. Eigentlich klettert man dort fast nur.

Aber erst einmal müssen wir noch wandermäßig zum Col de Suzon und von da zum Einstieg kommen, der einige Meter links vom Normalwegseinstieg liegt. Yvonne tut sich zudem heute auch noch extrem schwer mit dem eigentlich leichten Geröllfeld – großen Steinen, die fast in der Waagerechten zu passieren sind. Auch das hält erneut auf. Zudem ist sie äußerst leicht reizbar, wohl weil sie selbst sauer auf ihre heutige Tagesform ist. Aber Fluchen kann sie noch, auf jeden kleinen Stein, der sich bewegt – ich ziehe es vor, ihrem Gefluche aus dem Weg zu gehen und halte ein wenig Abstand. Erst am Ende des Geröllfeldes warte ich wieder.

Am Paß eröffnet sie mir, dass sie nicht glaubt, dass ihre Kraft bis auf den Gipfel reicht, vielleicht reicht sie nicht mal bis zum Einstieg. Es ist heut wahrlich nicht ihr Tag. Dennoch hätten wir die Tour auch nicht kurzerhand verschieben können, denn schon für morgen ist wieder schlechtes Wetter angesagt.

Es zieht sich unsäglich in die Länge, bis wir endlich den Einstieg erreichen. Nebenan am Normalweg wollen noch immer Leute hoch und die ersten auch bereits wieder runter. Es staut sich wie gehabt.
Aber an unserem Weg sind wir alleine. Klettern möchte Yvonne dann schließlich doch mit, allerdings mit der Option, dass wir nicht bis ganz hoch gehen. Müssen wir auch nicht, denn es gibt mehrere Stellen, wo man zum Normalweg hinüber queren kann.

Der Einstieg ist recht leicht, in einer etwas grünen, plattigen Wand steigt es sich sehr gut nach oben, dann quere ich in einen Rißkamin in Verschneidung, in dem einige schwerere Züge im IV. Grad warten. Vorher hole ich Yvonne erstmals nach, da sich hier ein guter Standplatz bauen läßt. Ringe und Haken gibt es keine, doch mit Friends, Keilen und Schlingen läßt sich jederzeit gut absichern.

Yvonne kommt mit dem Klettern weit besser zurecht als mit dem Wandern. Selbst das Fluchen ist vergessen und endlich kann sie auch mal wieder lächeln.

Die Züge in der Verschneidung sind psychisch im Vorstieg etwas delikater, aber sehr sicher. Ich brauche auch kaum mal wirklich etwas legen, denn die Griffe sind groß und fest und ich fühle mich, als hätte ich nur mein halbes Alter auf dem Buckel. Aber beim Standplatzbau mühe ich mich, stets eine dreifache Absicherung zu finden, aus Angst, Yvonne könnten doch die Kräfte verlassen. Aber sie kommt auch die zweite, anspruchsvollere Seillänge zügig nach.

Auch die dritte Seillänge ist sehr schön, mit einigen schon recht ausgesetzten Stellen am Pfeiler, den es hinauf geht. Dennoch geht es auch hier recht schnell und sicher voran bei uns beiden. Ein einzelner französischer Bergsteiger ohne Kletterausrüstung kommt vom Normalweg auf einem Band zum Beginn der dritten Seillänge zu uns herüber. Ihm dauert es im inzwischen beidseitig rege begangenen Normalweg zu lange und er wollte unseren Weg als Alternative nehmen. Als er jedoch sieht, was wir genau vor haben, läßt er von seinem Vorhaben ab, welches ohne Ausrüstung auch „nicht ganz ohne“ gewesen wäre. Er schaut uns noch nach und begibt sich dann auf den Abstieg.

Am Beginn der 4. Seillänge ist unten ein leicht überhängender Riß, der aber leicht zu meistern geht, da es immer gute Griffe gibt. Danach folgen dann etliche Meter „Treppensteigen“ auf abgetretenen Erdstufen.

Yvonne möchte es dann doch nach 120 bis 150 m dabei bewenden lassen, schließlich müssen wir auch noch den ganzen Weg zum Auto zurück. Inzwischen kommen auch fast nur noch Leute auf dem Normalweg hinunter, hoch geht kaum noch jemand. Nach einer kurzen Reibung gibt es dann eine gute Möglichkeit, zum Normalweg hinüber zu queren, denn wir wenig unterhalb des zweiten Kamins erreichen.

Zwar haben wir nun hier einen Sack hängen, aber anbetracht der fortgeschrittenen Zeit war dies die vernünftigere Entscheidung. Und zudem haben wir dennoch eine sehr schöne und lohnende Kletterei gehabt. So bin auch ich tief im Inneren nicht mehr ganz so sackig. Der Weg war heute das Ziel…

Schnell sind wir zurück am ersten Kamin des Normalweges und müssen uns anstellen, ehe wir abseilen dürfen.

Der Rückweg wird dann für meine Füße zur Qual. Die Schuhe drücken beim steilen Bergabgehen stark an den Zehen und ich möchte die Wanderschuhe eigentlich nur noch loswerden. Wir treffen im Geröllfeld, welches Yvonne nun besser läuft, noch ein deutsches Pärchen aus der Nähe von Aachen, die einmal um den Pic herumgewandert sind. Die Nachricht vom für den nächsten Tag angekündigten schlechten Wetter finden sie nicht so toll, denn sie werden den Freitag noch für den Abstieg Richtung Gabas brauchen.

Wir dagegen steigen gemächlich zu unserem Parkplatz ab und meine Füße schreien vor Dank laut auf, als ich sie von den nun rundrum drückenden Schuhen befreie. Dann kommt der Durst…

Die Läden und Bars auf der spanischen Seite haben noch geöffnet und wir genehmigen uns ein „apres – escalade“ – Bier. Auch wenn es 0,5 l sind, so verdunstet es auf der Stelle auf dem Weg in den Magen.

Nun meldet sich der Hunger. Ich habe den ganzen Tag seit dem Frühstück nicht ans Essen gedacht, sondern nur öfters etwas Wasser getrunken, aber jetzt kommt der Appetit.
Wir fahren zurück auf unseren Biwakplatz unterhalb von Gabas.

Der Speisenplan sieht Nudeln mit Aubergine, Zucchini, Chorizo und Käse vor und noch immer gibt es von Joven und vom Rancio. Alt werden wir beide heute nicht.

Auf dem Platz gesellen sich noch zwei junge Niederländer zu uns, die nach dem Aufbau ihres Zeltes verzweifelt versuchen, einen Grill in Gang zu bringen. Später baut auch noch ein französisches Pärchen ein Zelt auf. Ein polnisches Paar war bereits vor uns da, sie übernachten im Auto.

So ist es heute richtig international hier.

Auch in dieser Nacht werden wieder Kühe die Straße hinabgetrieben, wie bereits in der Nacht auf der ersten Runde. Erst hört man ein dumpfes leises Schellen, dann werden die Kuhglocken lauter und deutlicher und irgendwann stampft der dunkle, fast unheimliche Pulk langsam die Straße hinab, begleitet von Fahrzeugen, Treibern und Hunden. Nachts muss man eben nicht mit so viel Verkehr rechnen – am Tage ist die Straße recht befahren und nicht jeder fährt hier vorausschauend und mit dem Gedanken an andere auf der Straße. Als wir heute am späten Nachmittag abgefahren sind, kommen auch wir an einem schweren Unfall vorbei, bei der ein Raser eine Kurve geschnitten haben muß und den Entgegenkommenden in der Kurve frontal rammte. Das sah alles wenig appetitlich aus…

(Fortsetzungen folgen)

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