Einmal in die Alpen 2016, ein Reisetagebuch (13)

BY IN Essen und Trinken hält Leib und Seele beisammen, Reisetagebuch eines genügsamen Genießers, Trangia deluxe NO COMMENTS YET , , , ,

Obwohl es bereits gegen 17.00 Uhr ist, rät man mir zu. Der Steig Les Plates de la Daille wäre zeitlich noch zu schaffen, wenn man geübt ist.

Viertel Sechs starte ich in das mit Tres Difficile angegebene Abenteuer. Die Gehzeiten auf den Hinweistafeln variieren zwischen 1, 5 Stunden plus 35 Minuten für den Rückweg auf dem ersten Schild hinter dem Hotelkomplex, wo der Zugangsweg beginnt und 2,5 Stunden plus 45 Minuten für den Rückweg auf dem Schild direkt am Einstieg in die Felswand.

Vom ersten zum zweiten Schild sind es dabei nur fünf Minuten gleichmäßig steilen Anstiegs.

Vom Schwierigkeitslevel TD sprechen beide Tafeln.

Es geht in diesem Steig hoch hinaus, , stets gut ansteigend und die Ausdauer fordernd. Zudem wird es sehr ausgesetzt, je höher man kommt, desto mehr und so wird der Steig zu einem Leckerli für die Psyche.

Nicht überall ist viel Eisen verbaut, man nutzt häufig den Fels zum wirklichen Klettern. Von daher sind Grundkenntnisse verschiedener Klettertechniken sinnvoll. Unten haben wir viele Reibungsabschnitte, an denen wir uns ausprobieren können, wie das mit der Haftreibung am Fels funktioniert.

Zwischendrin geht es immer mal wieder – auch oft steil ansteigend über Grasbänder, was die Arme schont und sie auf die nächsten Aufgaben vorbereitet. Und derer warten etliche im Verlaufe des Klettersteiges. Nach einer ersten ausgesetzten hohen Wand ein erster, aber gut machbarer Überhang – der aber den Augen schon Respekt abnötigt, dann weitere vertikale Abschnitte.

Schließlich kommt als Schlüsselstelle ein die Psyche fordernder 15 Meter langer Abstieg mit überhängend ausgesetzter Stufe und einer anschließenden stark ausgesetzten Querung.

Zum Ende hin haben wir einen Schlussanstieg, der sich in die Länge zieht und auch noch kleinere Überhänge und einen etwas größeren Überhang hat, der allerdings weniger schlimm ist wie der erste.

Die zusätzliche Standschlinge habe ich beim Steigen selbst nicht gebraucht, aber bei manchem Foto Stopp habe ich sie geklinkt, um an ausgesetzten Stellen beim Fotografieren besseren Halt bzw. Stand zu haben.

Leider weiß ich zu diesem Zeitpunkt natürlich nicht, dass die Fotos allesamt extrem unscharf sind, so dass sie keine Verwendung finden können.

So was will sich niemand anschauen, oder?

(und das ist noch eines der besseren…)

 

In einer alten Beschreibung hatte ich etwas von zwei Seilbrücken gelesen, die es allerdings nicht gibt. Der Steig ist schnörkellos, das pure und unverfälschte Kletterglück, nur der Felsen, das Sicherungsseil, die U-Eisen und ich.

Ich sehe vor mir niemanden und auch hinter mir ist keiner mehr. Je höher man kommt, desto mehr geht es auch mit der Landschaft, es gibt hervorragende Weitblicke und auch die hässliche Retorten -Siedlung La Daille wirkt hier weniger schlimm als zu Beginn des Steiges am Roc de Tovière. Man hat doch einen gewissen Abstand zu den Hotelkomplexen.

Da also alles stimmt, vergebe ich hier die Höchstnote 20/20 in meiner Klettersteig-Genusswertung. Der Steig ist sportlich herausfordernd, lang ansteigend und beansprucht die Psyche, macht Kletterspaß und setzt einen Haufen Adrenalin frei. So soll ein Steig sein, der die gesamte Reise rechtfertigt.

Wie schnell hier aber das Wetter wechselt, sehe ich jetzt live. Ich starte bei fast blauem Himmel und auf dieser Seite des Col de l´ Iseran ist es auch nicht so schwül-heiß, sondern eher ausgewogen warm.

Dann sehe ich, weiter oben kletternd, sich gegenüber in den Bergen in der Ferne festbeißende Wolken. Je höher ich komme, desto furchteinflößender wird der Blick in Richtung Col de l´ Iseran.

Oben dann beim Ausklinken aus der letzten Sicherungslinie fallen erste vereinzelte Tropfen und mahnen zum raschen Abstieg. Zum Glück geht es in ziemlichen Idealgefälle ab zu wandern, die Knie werden nicht durch einen zu steilen Abstieg übermäßig belastet, aber es zieht sich natürlich mit den vielen Kurven.

Ich erreiche die ersten Bäume, aber die Lärchen hier spenden keinen Platz, um sich unter zu stellen, also weiter und nicht verharren. Immer wieder Grollen vom Iseran her, wo es inzwischen regelrecht wütet.

Als ich am Auto bin und gerade den Klettergurt ausgezogen habe, gibt es einen mächtigen Rumms direkt über mir und sofort einen Platzregen, ich kann gerade noch rechtzeitig alles auf den Rücksitz werfen und selbst einsteigen. Losfahren wäre Quatsch, der Scheibenwischer käme nicht nach…

Ich sitze im Auto!

19.42 Uhr!

Adrenalin pur und ein fettes Grinsen im Gesicht!

 

Nach dem Platzregen regnet es gleichmäßig, aber weniger stark weiter, so dass ich beschließe, mich abrollen zu lassen. Bereits nach ca. 10 – 15 Kilometern ist es total trocken, als hätte jemand einen Strich auf der Straße gezogen, der die Grenze zwischen Regengebiet und Trockengebiet markiert.

Unterhalb von Ste.-Foy-Tarentaise finde ich einen wunderschönen Biwakplatz mitten im Wald. Es ist trocken, ich baue zuerst das Zelt auf und stürze mich dann ans Kochen des Abendbrots. Zwei sächsische Motorradfahrer finden den Platz ebenso gut wie ich und bauen auch ihr Zelt auf.

Ich lasse mir derweil mein Thunfischsteak vom Trangia schmecken, dazu gibt es Paprika, Schalotten und Reis gemischt. Hierzu koche ich zunächst einen Beutel Reis, dann brate ich im Topf die Paprika und die Schalotten an, während ich den Deckel mit dem Fisch bereits umgedreht als Pfanne auf den Topf stelle, so beginnt der Fisch, sich schon mal zu erwärmen. Als ich dann Reis und Gemüse mische, brate ich das Steak fertig.

Der dazu getrunkene Chardonnay 2012 vom Weingut Feser ist mir zwar einen Tucken zu lieblich, aber er trinkt sich an einem Tag wie diesem dann doch unkompliziert weg (89/100).

Das Eis hatte sich in der Kühltasche gut über den Tag gehalten, nicht nur der Fisch, auch der Wein und ein Alpen-Nachkletterbier waren gut gekühlt und am Abend wird es sogar so frisch hier unten, dass ich nicht befürchten muss, dass der Wein zu warm werden würde. Ich ziehe mir sogar noch eine Fleecejacke drüber und auch eine lange Hose ziehe ich über die kurze.

So geht dann ein herrlicher französischer Feiertag für mich zu Ende.

 

 

 

 

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