Weinrallye # 55: Hassliebe – Wein und Gastronomie

BY IN Essen und Trinken hält Leib und Seele beisammen, Hinterfragt... 1 COMMENT , , ,

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Schon wieder mal hätte ich um ein Haar eine Weinrallye verpasst, deren Thema mir auch am Herzen liegt… – aber dank Susa von „hundertachtzig Grad“ und ihrem lesenswerten Beitrag bin ich auf die Idee gekommen, hier gleich anzuknüpfen

Auch ich habe hier ein Trauerspiel in drei Akten und ein Lustspiel anzubieten…

Tragödie 1. Akt:

Ein idyllisches Restaurant in einem Nationalpark in Deutschland, hierher muss man mindestens eine Stunde laufen, keinerlei Chance, mit dem Auto vorzufahren. Entsprechend umweltbewußtes Publikum – da schwört man gern auf Bio und erzählt von welchem Hof die Kräuter, das verarbeitete Bio-Rind und natürlich auch das beste Biobrot weit und breit ist. Entsprechend freakig die Preise für den ausgehungerten Wanderer – Kleine Happen zu Bier und Wein – alles zwischen 2 und 2,50 € „Die Preise verstehen sich auf 100 g“, Brot (Bio natürlich) – die Portion 1,50 €

Nein wir haben keinen Hunger darauf, eine halbe Stunde Anstieg weiter oben wartet der Trangia nebst Zutaten für ein deftiges Mahl aus frischen Zutaten – auch die teilweise Bio… Da koche ich selbst und weiß, dass jeder satt wird.

Aber eine Kleinigkeit zu Trinken – nach der wunderbaren Klettertour…
„Ich will ja eigentlich nicht schon wieder ein Bier trinken müsen“
„Guck doch nach einem Wein, trinkste doch eh lieber…“
„Gute Idee“ – oh je, zwei Seiten Weinkarte…“ – nach derem Lesen wird mir auch nicht wohler – alles so im Stil von:
Rotwein trocken, Spanien aus der Sorte Tempranillo – Bio 0,2 l – 6,50 € (+/-)

Sehr informativ. Und Bio.Logisch…

Die Kellnerin kommt:“was darf es sein?“
„Schwarzbier“; „Zwei“
„Das gute Böhmische?“ „Klar, das gute Böhmische.“

Wenig später haben wir zwei Fassbier und die Rechnung 3,70 € pro 0,5 l.

Ich stöbere noch mal durch die Karte und finde: es gibt das selbe Bier auch als Flaschenversion 3,10 € pro 0,5 l. Hätte man ahnen müssen. Logisch.

Der Tragödie 2. Akt

Griechisch essen gehen mit Bekannten, die so mäklig sind, das ich für sie lieber nicht selbst koche…
Meine Frage an den Kellner:“Ich hätte gern zum Essen einen Wein, ruhig was Gutes aus Griechenland. Was zum Kennenlernen, was Lust auf mehr macht“
„Rot oder Weißwein?“ „Rot – was haben Sie denn da Schönes?“
„Einen Moment“… Zeit vergeht. Ich warte – auf die Weinkarte vielleicht – oder eine Empfehlung.

Kommt Zeit, kommt Rat, kommt griechisches Rotweinattentat. „Bitte, Ihr Wein“. Ich bekomme ein Glas Wein hingestellt.
„Entschuldigung… Was ist das bitte?“
„Rotwein, den hatten sie bestellt.“

Der Rotwein war so gut, dass ich nach einem kleinen Schluck nicht in der Lage war, den Rest des ed(k)l(ig)en Getränks zu mir zu nehmen. Hauptsache aber, der Preis für den Wirt stimmt…

Der Tragödie 3. Akt

Auch bis in diverse gastronomische Kreise hat es sich herumgesprochen, dass ich Prioratweine kleiner Erzeuger mit hohem Qualitätstreben importiere und sie an die Weinfreaks dieser deutschsprachigen Welt verkaufe.

Ein Restaurantbetreiber meldet sich bei mir: „Wenn ich bei Ihnen 12 Flaschen Wein kaufe, mit welchem Rabatt kann ich dann rechnen?“

Die Frage schockt schon mal, denn ich kalkuliere nicht so, dass ich großzügige Rabatte offerieren kann. Und es gibt genug Weinliebhaber, die schon mal weit mehr als 12 Flaschen am Stück kaufen und für die es selbstverständlich ist, das auch ich von irgendwas leben muss – und die mich ein wenig leben lassen, indem sie nicht versuchen, einen Rabatt aus mir heraus zu quetschen, sondern zahlen, was in der Preisliste steht – und die trotzdem hinterher von einem guten Preis-Genuss-Verhältnis sprechen…

„Gegenfrage – wenn ich bei Ihnen einmal zum Essen komme, mit wie viel Prozent Rabatt kann ich dann rechnen?“

Ende des 3. Aktes.

Zum Schluss das Lustspiel – spielt aber nicht in Deutschland…

Ich freue mich auf die Fahrt ins Priorat. Immer wieder – und ich freue mich, dort auch endlich mal wieder essen zu gehen, denn das hab ich mir die Ganze Zeit bei all den Trauerspielen verkniffen und aufgespart – für die Fahrt ins Priorat…

Sicher kann man für die Kulisse des Lustspiels nicht jedes Restaurant im Priorat wählen, aber es gibt schon etliche Auswahl, auf die es so passt. Das Essen handgemacht und wohlschmeckend, sogar „Bio“ ist zu finden… Der Patron freundlich, die Portionen auch nach der Wanderung satt machend, der Preis nicht den halben Monatslohn verschlingend.

Dann die Weinkarte – alles, was das Prioratliebhaberherz begehrt, von den bekannten Bluechips bis hin zu den noch unentdeckten jungen Wilden. Die Preise? Zum Teil unterm Mitnahmepreis… Wie geht das denn, fragt sich der, der es so nicht kennt, bei der ersten Flasche Nit de Nin zu unter 40 €. Nun ja – die Mehrwertsteuer ist halt bei Verzehr im Restaurant ermäßigt, bei Mitnahme voll…

„Ich weiß mal wieder nicht, wofür ich mich entscheiden soll. Am liebsten würde ich mich hier eine Woche einschließen und die Karte rauf und runter trinken. Ein riesiges Bacchanal feiern, so als wär dieser Tag mein Letzter…“ Der Patron grinst.
Ich tue mein Übriges, dass die spanische Wirtschaft ein bisschen weniger den Bach runter geht. Hier esse ich gern, weil es den passenden Wein zum Essen gibt und ich mich endlich mal nicht abgezockt und veralbert fühle.

„Ich hätte gern noch einen Kaffee“ „Kommt sofort – der geht auf´s Haus“

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Die Idee, die der Ausrichter der Weinrallye Peter Ladinig auf seinem Blog „The Institute of Drinks“beschreibt, wäre auch ganz toll. Nur wie viele deutsche Wirte trauen sich, das überhaupt mal zu probieren? Ich begegne immer nur den Skeptikern, die meinen, es lohne sich nicht, weil eh nicht nach so gutem Wein nachgefragt wird. Die Ängstlichen, die dann beim Liter Merlot von Kaufland bleiben, statt den Gästen mal was zu bieten. Die, die meinen, es gäbe keine Nachfrage.


Nein, das Problem ist, es gibt kein lukratives Angebot, um eine Nachfrage zu kreieren…
Also freue ich mich auf die nächste Fahrt ins Priorat und bemühe ansonsten den heimischen Herd und unterwegs den Trangia.

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