760 Jahre Burg Rabenstein im Fläming – eine Nachbetrachtung…

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Zur Burg Rabenstein im Hohen Fläming habe ich seit Kindertagen eine besondere Affinität. Wie häufig sind wir in Kindertagen hier auf den steilen Hagen hoch geradelt, die mittelalterliche Pflasterstraße vom Dorf aus hatte über 10% Steigung, durch das Pflaster eine echte „Berg“herausforderung, irgendwann riß jemandem von uns sogar beim Radeln um die Wette die Kette…

Bei Fritz Lintow sind wir seinerzeit unten im Dorf eingekehrt, wer sagt, zu DDR-Zeiten hätte man Hunger gelitten bzw. habe es nichts anständiges zu essen gegeben, der lügt oder hat keine Ahnung, was er da plappert. Bei Fritz war schon immer alles ein wenig besser und engagierter als in den großen sozialistischen Einheitsgaststätten. Bei Fritz war es gemütlich, dort war man Gast und man blieb es auch in den Jahren nach der Wende…

Die Burg war Jugendherberge, aber eine willkommene Übernachtungsstätte allemale, auch wenn man anfangs in der Nacht zum Pinkeln einmal quer über den Burghof musste. Und auf dem Turm war zu DDR – Zeiten ein „Dach“ mit einer Antennenanlage – es stand in Verbindung mit einem ominösen stacheldrahteingezäunten Gebäude ein Stück weg… Nach der Wende erfuhr man, dass es eine Stasiabhöranlage war.

Vom Turm sah man schon damals über den ganzen Fläming, auch bis zum Kraftwerk Vockerode mit seinen markanten Schornsteinen, die heute weggesprengt sind.

1984 hatten wir bei einer Radrallye durch den Fläming anläßlich der Radwandertage auf der Burg Rabenstein einen 100 Punkte Kontrollpunkt (höchste Kategorie) – die Herbergsleitung war so „fies“, den Stempel oben auf dem Turm anzubinden, nicht genug der 10%igen Steigung mit Buckelpflaster, nein auch zusätzliches Treppensteigen. Ich hab damals dennoch gewonnen…

Unsere erste öffentliche Radwanderung 1979 von der Coswiger Radwandergruppe, die ich u.a. gemeinsam mit Ingo Schulz machte, führte unter anderem von Coswig zur Burg – kein Wunder, dass wir nach der Wende auch diesen Ort erwählten, um den Erlebnissportverband Apricus dort neu zu gründen. Ingo war damals leider verschollen, aber gegessen haben wir immer beim Fritz unten im Dorf… Und übernachtet immer öfter auf der Burg, manchmal mit einer riesigen Truppe per Rad oder zu Fuß.

Später dann hatte das Jugendherbergswerk die Burg abgestoßen und der Fritz mit einem extra dafür gegründeten Verein hat sie „übernommen“, seither haben wir richtige Gastronomie hier oben auf dem Hagen und die Herberge wurde Stück um Stück renoviert, ohne den Herbergscharakter einzubüßen. Über den Hof muss man aber nicht mehr.

Fritz hat einen Koch aus dem Elsaß engagiert, der hier für wahre Küchenqualität sorgt und irgendwann war auch die historische Backstube wieder in Betrieb. Ich hatte gern ein Brot mitgenommen, ohne zu wissen, wer dies gebacken hatte. Freunde aus dem Verein erkannten unseren Ingo Schulz als Bäcker und ich musste dann nach Rabenstein pilgern, den verloren geglaubten Freund aus Jugendtagen wiederfinden…

Ingo „spitzte“ Fritz an, dass ich gern meine Weine zum Advent auf der Burg präsentieren würde und Fritz lachte, als er mich sah – Kreise schienen sich nun nach Jahren zu schließen…

Mag sein, dass ich dadurch eine besondere Affinität zur Burg Rabenstein habe, es ist die Verbindung dieses magischen und historischen Ortes mit seinen Menschen heute, die die Burg zu neuem Leben erwecken…

Es ist inzwischen nicht mehr wie Gast sein, es ist ein bisschen wie nach Hause kommen, ein Stück Heimat wiederfinden. Ich gehöre noch nicht so ganz offiziell zum Team, aber ich fühle mich schon irgendwie zugehörig. Und es ist jedesmal Freude, dort sein zu dürfen, ganz unabhängig von Umsatzzahlen und Geschäft.

Mit dem Keimzeitkonzert im Januar bekam das noch eine neue Dimension, denn auch diese Band begleitete mich viele Jahre und auch wir fanden uns auf anderem Level wieder als Star und Fan – inzwischen ist es eher das „eine Hand wäscht die andere“…

Und so sollte es auch am letzten Wochenende werden, ein inspirierendes Event, ein Gesamtkunstwerk…

Im Rittersaal präsentierte ich einen Teil meiner Prioratführerselektion, Prioratweine und Weine von unterwegs, Olivenöl und Arbequinas, sah mich einmal mehr eher als Botschafter des Priorats und des guten Weingeschmacks als denn als Händler.

Es lief wie immer verhalten an, denn die Leute der Region kaufen selten Weine für 15 € die Flasche, geschweige denn für 50 €. Ich hätte fast begonnen, mich zu langweilen, als ich angesprochen wurde: „Bist du…“. Alexander nebst Gefährtin hatten sich auf den Weg gemacht, ein Freund aus dem noch jungen Weinforum, der auch vernarrt in die Weine des Priorats ist.
Was solls, ich zieh auf, was du willst, sollst nicht umsonst den weiten beschwerlichen Weg aus der Hauptstadt gemacht haben… – und wir fachsimpeln und er kostet sich langsam hoch vom L´Heravi Joven bis zum Solertia.

Während ich seine Bestellung fertig machen will und die beiden einen Spaziergang machen, bricht eine erste Welle an Probierfreudigen herein… Auch später geht es in diesen Wellen weiter, mal ist nichts zu tun, mal überschlägt es sich.

Dann sogar Leute, die schon im Priorat waren, eine Familie plant grade ihren Urlaub in die Gegend am Mittelmeer unterhalb des Priorats. Ich empfehle ein paar Reisetipps und Pedros „El Bistro“ in Masriudoms… Vielleicht schauen sie ja dort vorbei, vielleicht schaut auch der eine oder andere hinterher bei mir vorbei, auf dem Blog, bei mir in Bernburg oder zu den Weihnachtsmärkten dieses Jahr wiederum in der Folterkammer der Burg…

Abends dann das Konzert von Maite Itoiz und John Kelly. Kelly, waren da nicht… alte Vorurteile? Manchmal muss man auch die Chance haben, diese zu begraben. Ich hab die Chance, auf dem Gelände an der Bühne auch abends Wein anzubieten – obgleich auch viele noch nach einem Kaffee fragen…

Meine Weine begleiteten die Musik bestens… Das Publikum von „bieder eine Generation über mir“, die ganzen Möchtegern – Schwiegermütter von John Kelly inbegriffen über nachreisende weibliche Fans aus Österreich bis hin zur jungen Gothic Wave Scene, kunstvoll in Schale geschmissen. Es beginnt romantisch, wird dann schnell mysthisch, zwischendrin immer wieder rockig und folkloristisch zwischen spanisch und irisch. Maite hat eine begnadete Stimme zwischen Opernarien bis zur Rockröhre und die vielseitige Musik im Angesicht der beleuchteten Burg hatte einfach magisch inspirierendes in sich, die Kraft, Emotionen und Visionen frei zu setzen…

Ich muss Ablass erbitten, auch ein Kelly ist nicht mehr die Bravo – Band meiner Jugendzeit, nein hier ist ernsthafte Musik zwischen Inquisition, Elfenmärchen, Magie und kreischenden E-Gitarrensounds, die von Stück zu Stück neu überrascht. Später sitzen die charismatische Baskin Maite und der romantische irische Ritter John mit den Rabenbrüdern, einem Teil der Burg-Mitarbeiter und mir noch bis tief in die Nacht auf dem Burghof, als es beginnt mit regnen, rutschen wir alle unter dem großen Schirm enger zusammen.

Auch am Sonntag gab es dann Leute, die meinten, sie hätten ja eigentlich von Wein keine Ahnung, tränken nur mal gern eine gute Flasche, wobei 45 € nicht in den Bereich des Vorstellbaren für eine Flasche käme. Aber mal 6 € zusammen für je ein Probe – Glas eines 15 € Weines und des Solertia investieren, das ginge schon mal aus Neugier zur Feier des Tages, schließlich möchte man gern mal wissen, wie so ein teurer Wein ist und ob er wirklich besser ist als ein 15 € Wein, den man sich ja auch kaum leisten kann oder mag. Und jeder bestätigte, dass der Solertia noch mal eine ganz neue Welt ist, die man ja eigentlich schon bei Billo und Co. dachte, betreten zu haben…

Dann als alles schon vorbei war, machte ich noch ein kleines Mädchen glücklich, die im Salat des Restaurants meine Arbequina Oliven fand und dann noch die letzten zwei Gläser meines mitgebrachten Paketes erbat – neben einmal 2 Litern Öl. Also das schon im Auto verstaute noch mal herausholen. Kleine Vorschulmädchen, die gern Arbequina – Oliven essen, passen auch auf, dass nichts zu Bruch geht.

Und auch zwei Radelfreunde nutzen die Gunst der letzten Minute und nahmen mir zwei der angebrochenen Flaschen ab, um damit ihr Abendbrot auf dem Burghof zu verfeinern – ihre Radeletappe hatten sie am Morgen in Bernburg gestartet.

Manchmal ist vieles nicht einfach Zufall, manches soll einfach sein, wie es ist, Kreise sind dazu da, sich zu schließen. Das ist Bestimmung und Recht auf einen glücklichen Moment. Das ist Leben…

Danke!

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